Lesepredigt zur Jahreslosung 2024 Pfarrerin Anette Prinz
1. „Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.“(1.Kor.16,14),
das hat Paulus einer jungen Gemeinde in der Hafenstadt Korinth geschrieben. Dort ging es manchmal drunter und drüber. Da prallten Lebensweisen und Lebenswelten aufeinander. Da gab es Streit um Rangfolge und Macht, Auseinandersetzungen zu Fragen der Ehe, zur richtigen Feier des Abendmahls, zum Umgang mit Geld und anderen Gaben, zum Umgang mit Schuld und Vergebung.
Paulus schreibt dieser verstrittenen Gemeinde einiges darüber, wie man mit anderen Menschen zusammenleben kann. Am Ende seines Briefes bündelt er alles in diesem einen Satz:
„Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Ich glaube kürzer kann man die Quintessenz des neuen Testaments kaum zusammenfassen.
„Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.“ - „Guter Satz“, haben die meisten meiner Konfirmanden gesagt. Aber auch davon waren sie überzeugt: „Immer durchhalten kann man ihn nicht“.
Beim Lesen der Bibel kann man sich schon mal überfordert fühlen: Wen wir alles lieben sollen!
Die Eltern, den Bruder, die Schwester, den Nächsten, der ein ganz Fremder sein kann, wie der hilflos zusammengeschlagen Ausländer, der auf der Straße zwischen Jerusalem und Jericho liegt. Jesus treibt es dann auf die Spitze, wenn er sagt: „Liebt eure Feinde“. Wie soll das gehen?
Vielleicht beginnt die Liebe zum Feind ganz weit im Vorfeld, beginnt bei der Frage, wie wir mit dem Hass umgehen. Ich will etwas dazu erzählen, was mich bis heute bewegt, wenn ich es erinnere:
Am 13. November 2015 sah Antoine Leiris seine Frau Helene zum letzten Mal. Am Abend dieses Tages starb sie zusammen mit 88 weiteren Menschen bei Terroranschlägen während eines Konzerts in einer Veranstaltungshalle in Paris. Mitten in die Schockstarre hinein, die diese Tat ausgelöst hat, veröffentlicht der Journalist auf Facebook einen offenen Brief. Er wendet sich an die Attentäter, auch im Namen seines damals 17 Monate alten Sohnes:
„Freitagabend habt ihr das Leben eines außer gewöhnlichen Wesens geraubt, das der Liebe meines Lebens,
der Mutter meines Sohnes, aber meinen Hass bekommt ihr nicht … Ihr habt es genau darauf angelegt -doch auf euren Hass mit Hass zu antworten, dass hieße, sich derselben Ignoranz zu ergeben, die aus euch das gemacht hat, was ihr seid.“
„Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Hier verweigert ein Mensch dem Bösen die Macht über sein Leben.
Ich denke, genau das meinen auch Jesu Worten von der Feindesliebe: Verweigere dem Bösen die Macht über dein Leben. „Alles was ihr tut, geschehe ohne Hass.“
Wer das schafft, den Hass aus seinem Herzen fernzuhalten, der liebt schon – nicht den Feind, aber das Leben, dass er sich von Hass nicht kaputt machen lässt.
Der Feind kann ja viele Facetten haben, nicht nur ein böser Mensch kann mir zusetzen, sondern auch eine schwere Erkrankung, Leistungsdruck, der Tod, der zur Unzeit in mein Leben tritt, kann mir zum Feind werden
Hier gilt genauso: Verweigere dem Bösen die Macht über dein Leben. Las dir die Liebe zum Leben nicht nehmen.
„Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Wer mit und von biblischen Worten lebt, den will dieser Satz durch das Jahr 2024 begleiten.
Ich will es hören wie eine tägliche Erinnerung: Versuch dich in der Liebe, hör nicht auf damit, auch wenn es keine leichte Übung ist.
Fang im Kleinen an. Gerade, weil es sich zu groß anhört, dieses „Alles was ihr tut...“. Überlege einmal:
Was hast du heute Morgen schon getan? Hast du es in „Liebe“ getan? Und das, was du heute noch tun wirst, wie kannst du es in Liebe tun?“
Denk darüber nach: Wer sollte in nächster Zeit meine Liebe besonders zu spüren bekommen?
Liebe ist eine Lebenshaltung. Sie umfasst die Achtsamkeit, den Respekt, die Zuneigung, die Zärtlichkeit, auch die Sorge. Dinge in Liebe tun ist auch mit Mühe verbunden, manchmal mit dem Aushalten von Geringschätzung und Verachtung:
„Dein Gutmenschentum bringt die Welt nicht weiter!“ Heute würde ich antworten: „Und deine Wut zerstört sie.“
Alles in Liebe geschehen lassen heißt nicht, zu allem Ja sagen. Manchmal ist ein Nein dringend erforderlich,
eine Ermahnung, ein Protest. Das in Liebe geschehen zu lassen heißt: es geschieht, ohne mein Gegenüber zu verletzen oder verächtlich zu machen.
Gott ist die Liebe
Sich in der Liebe üben ist ein gutes Vorhaben für dieses neue Jahr, dass jedes kleinste bisschen Liebe dringend nötig hat, damit es besser endet als das alte. Sich darin üben, die Dinge, die man tut in Liebe zu tun fällt dem am leichtesten, der wirklich an die Liebe glaubt.
Da ist ja schon eine Aufgabe für sich: an die Liebe zu glauben; An ihre Wirksamkeit.
„Gott ist die Liebe“, sagt das 2.Testament. Daran zu glauben, dass ich von ihm geliebt bin, dass ich seine Liebe in mir trage, ist wie eine Ermutigung: Was in mir ist kann ich auch weitergeben.
Gott ist die Liebe und in Jesus hat sie Gestalt angenommen.
Wasser zu Wein und mein Leben für euch, weil ich euch liebe.
Nie wird einer von uns Wasser in Wein verwandeln können und die wenigsten Menschen sind dazu geschaffen, ihr Leben für andere zu lassen
Aber Freude in das Leben anderer zu bringen, andern zu zeigen, sie spüren zu lasse,
das können wir üben, das können wir lernen, das gelingt uns schon heute - hier und da.
„Alles was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Andreas Felger* verbindet die Jahreslosung mit dem Liebessymbol schlechthin: die Rose.
Wer hat sie nicht schon einmal verschenkt als Zeichen der Liebe und Zuneigung oder hat sie als solche selbst verschenkt.
Ich habe das Bild lange betrachtet und für mich entdeckt:
Der Mittelpunkt der Rose ist ein Auge. Das Auge Gottes. Ein liebendes Auge, das mich anblickt, das mir zuzwinkert, mich anlächelt, mich ermutigt:
Du schaffst das, dem Leben in einer liebenden Haltung zu begegnen. Gib nicht auf. Gib die Welt nicht auf. Vergiss nicht: ich liebe dich
Vielleicht kommt euch bei dieser Rose aber auch in den Sinn, was wir Weihnachten gesungen haben: ‚Es ist ein Ros entsprungen‘. Ein Kind ist geboren, ein Blümlein, ein Licht, das die Finsternis vertreibt.
Andreas Felger, Jahreslosung 2024,
adeo Verlag in der SCM Verlagsgruppe GmbH
Jesu Liebe, die er den Menschen bedingungslos entgegenbringt, ist der Ursprung für alles, was wir unseren Mitmenschen weitergeben können.
Die Rose der Liebe -dieses Bild für dich. Es will dich durch dieses Jahr begleiten.
Es will dich ermutigen, die Liebe, die Gott dir schenkt, dir zu bewahren und weiterzugeben.
„Liebe ist nicht nur ein Wort. Liebe das sind Worte und Taten.
Als Zeichen der Liebe ist Jesus geboren, als Zeichen der Liebe für diese Welt.“ (EG 650)